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Profil geloescht


Wie wird man ein schwuler Hero? Jan Feddersen erzählte es in der taz vom 3. Mai 2005: „Das Equalityforum, eine Stiftung von Lesben und Schwulen, hat gestern den Deutschen Volker Beck in seine Hall of Fame aufgenommen: 40 Personen überhaupt nur fanden Aufnahme – sie alle gelten fortan als Helden der Regenbogenfamilie.“ Warum man ein schwuler Hero wird, wußte dessen willigster Schleimer auch: „An Beck fand das Preiskomitee würdig, daß er die eingetragene Lebenspartnerschaft gegen heterosexuellen Furor in Deutschland als erster Protagonist durchgekämpft hat – was als wichtiger Bruch der deutschen Gesellschaftspolitik mit der Nazitradition des Terrors gegen Schwule bewertet wurde.“

Lachen Sie nicht, die glauben das wirklich. Fehlt noch das wichtigste Kriterium für einen schwulen Hero: Daß ihn „sogenannte Linke aus dem Homospektrum verabscheuen, weil er ihrem Bild vom Homokämpfer nicht entspricht: keine Tunte, kein schräger Vogel, keine Person, die sich zur Ikone des Schrillen zu eignen scheint“ und, schön doof, bei Linken Neid bewirkt: „Er hat den Job, den die anderen nie bekamen: ein eher unnahbarer und machtbewußter Politiker, der sich nicht allein auf Homofragen beschränkt, sondern beispielsweise auch die Verhandlungen für die Zwangsarbeiterentschädigung zugunsten der Opfer mit bestimmte.“ Der also offenbar doch nicht für NATO-Bomben auf eines von deren Heimatländern das Händchen hob? Der doch nicht half, siehe Gigi Nr. 10, die ihnen gewährten Almosenbeträge auf die Hälfte zu drücken oder Rosa-Winkel-Opfer per Bundesstiftung abermals enteignen wollte? Dessen Ja-Wort zu Hartz I bis IV nicht Menschen mit HIV und AIDS via Armut dem sozialverträglichen Frühableben zuführt? – So also wird man ein schwuler Hero, als „kühl operierender Bürgerrechtsmann, für den die Entfaltung einer schwulen Ästhetik politische Gesetze nicht ersetzt“.

„Sehr geehrte Damen und Herren, auf der Seite paedosexualitaet.de führen Sie einen angeblich von mir stammenden Beitrag ohne Genehmigung meinerseits auf. Ich verlange von Ihnen, den Beitrag unverzüglich zu löschen. Dieser Beitrag ist verfälscht und ohne meine Genehmigung veröffentlicht worden. Seine weitere Verbreitung stellt eine Verletzung des Urheberrechts dar. Weitere Schritte behalte ich mir vor. Bitte teilen Sie mir binnen 14 Tagen nach Eingang dieses Schreibens mit, daß Sie den Beitrag gelöscht haben. Mit freundlichen Grüßen, Volker Beck, MdB.“

Diese Abmahnung vom 4. August 2004 galt dem Internetprovider Bit Hosting. Die Webadresse führt zum Pedosexual Ressource Directory, einer umfänglichen Literaturliste zu kindlichen sowie kindlich-erwachsenen Intimbeziehungen. Den dort eingestellten Aufsatz „Das Strafrecht ändern?“, ein auffällig kompetentes, differenzierendes und hiermit dringend empfohlenes „Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik“, will Beck nur „angeblich“ verfaßt haben, was, da der rechtspolitische Ex-Sprecher der Bundestags-Grünen zugleich sein Urheberrecht reklamiert, juristisch mehr erstaunt als politisch. Erschien der Essay unter Becks Namen doch erstmals 1988 in Angelo Leopardis „Der pädosexuelle Komplex“. In einem akut indizierungsgefährdeten „Handbuch für Betroffene und ihre Gegner“ darf kein schwuler Hero, der federführend für seine Partei das Sexualstrafrecht drastisch verschärfte, einst ein „subjektives Resümee“ gezogen haben, in dem es heißt, eine „Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich, nicht zuletzt, weil sie im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen aufrechterhalten wird“, und vorgeschlagen haben, „die ‘Schutz’-Altersgrenze zu überdenken und eine Strafabsehensklausel einzuführen“.

„Die meisten Schwulen sind anders, als Beck sie uns malt: Viele leben promisk, gehen wechselnde Bindungen ein, wollen keine Kinder“, schrieb Dirk Ludigs im September/Oktober-Heft von Du & Ich. „Aber, heißt es da aus gut unterrichteten Kreisen, privat sei der Volker gar nicht so prüde, wie er tut: wolle selbst ja gar keine eingetragene Lebenspartnerschaft, verfüge aber über ein Gayromeo-Profil. Na danke. Heute macht so einer wohl ‘Realpolitik’. Früher hätte man einfach scheinheilig dazu gesagt.“ Als Ludigs’ Editorial am 26. August 2004 erschien, fand man plötzlich statt des Gayromeo-Inserats „Bmitteversaut“ und der Online-Zeile „Berlin Mitte Jetzt Mit 31 187 73 Und Mir“ nur mehr den Hinweis „Profil geloescht“. Denn um als schwuler He(te)ro in die Geschichte einzugehen, entledigte sich noch jeder bigotte Opportunist ängstlich seines Profils.

Eike Stedefeldt