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Aua aua Munich


Etwas Hübsches widerfuhr letzten Herbst dem Münchner Szenemagazin Our Munich. Was genau, erzählt die Glosse von Irene Gronegger



Im Novemberheft teilte der Herausgeber dem Publikum mit, sein Lifestyleblatt sei zum Opfer einer perfiden Verfolgung geworden: Anzeigenkunden des Magazins haben nach Angaben von Peter Sperlich anonyme Postkarten mit der Aufschrift “Aua Munich – Die BILD-Zeitung für Münchens Homos” erhalten, die außerdem mit der Frage “Homos brauchen keine Qualitätszeitungen, die denken sowieso nur ans Ficken und Shoppen, oder?” bedruckt waren.
Diese Art der Auseinandersetzung mit dem “Team des besten Stadtmagazins” und seiner Kundschaft mag zwar befremdlich für ihr “Opfer” und die solcher Aktionen entwöhnte “Community” sein, die Geschichte entbehrt aber nicht einer gewissen Komik. Diffamierend ist schließlich auch die regelmäßige Unterstellung der Redaktion, die Leser/innen, besonders die schwulen, seien tatsächlich so unpolitisch und konsumfixiert, wie das Magazin in seinen PR-Berichten regelmäßig voraussetzt.

So wurde “Trendiges in Camouflage” gerade noch rechtzeitig zum Auslandseinsatz der Bundeswehr bereitgestellt. “Endlich am Markt: die sündteuren Accessoires wie Schulterklappen, Gürtel und Springerstiefel”, der Gürtel “Kampfzone” und das militaryfarbene Make-Up – wahlweise von L’Oreal, Lancôme oder Yves Saint Laurent. “’Im Gleichschritt Marsch!’ heißt die Devise für ganz Harte in diesen Tagen! In Oliv gehalten und optisch vom echten Einsatz kaum zu unterscheiden – außer, daß eben nicht gestorben wird."
Bei der kleinen Aua-Munich-Postkartenaktion gegen das bayerische Kampfblatt war zwar ganz offenkundig eher ein eigenwilliger Trendseparatist oder gar eine ganze Gruppe von Fashion-Ignoranten aus der Szene selbst am Werk denn ein gefährlicher rechter Verfolger.
Der kundige Herausgeber Sperlich sieht das freilich ganz anders und vermutet drohende Gefahr von rechts: “Was heute noch eine Postwurfsendung ist – das kann in naher Zukunft schon ein Steinwurf sein. Our Munich ist mit der gesamten Community sehr betroffen über diesen Ausdruck von Intoleranz und überbordender Dummheit.”

Da ist das richtige Stichwort gefallen. Denn im Gedenkmonat November gehört es wohl zum szenetypischen Eiertanz um die eigene Befindlichkeit, die hauseigene Zielgruppe für Konsum und Lifestyle als potentielle Opfer einer obskuren Bedrohung inklusive Steinwurf aufs Schaufenster darzustellen: “Wir alle” seien damit gemeint, behauptet Sperlich entschlossen und ruft “Wehret den Anfängen!”, als wolle er einer drohenden Kristallnacht in der Shoppingcity zuvorkommen. Ihm ist anscheinend im “dichten Münchner Novembernebel”der Durchblick abhanden gekommen ...

Und so behauptet er einen Absatz weiter trotzig: “München beginnt im November strahlend hell zu leuchten: das Verzaubert-Filmfestival lädt (...) zur Pre-Depressiven-Behandlung (...) Zeit, um zu erkennen, daß die kulturelle Vielfalt und die gesellschaftliche Toleranz mit Wachsamkeit verteidigt werden müssen. Und gerade deshalb gilt mehr denn je: München im November – das Leben ist schön!” Nicht, dass noch ein/e Our-Munich-Leser/in auf die de--pressive Idee kommt, der November könnte auch der Erinnerung an den Hitlerputsch, die Reichspogromnacht oder gar den Beginn der Deportation der Münchner Juden vor genau 50 Jahren gelten. Das wäre nun wirklich ganz schlecht fürs Geschäft.