Beseitigung
von Grundrechten als bürgerlichen Abwehrrechten gegen das Gewaltmonopol
des Staates (Otto-Katalog), Ersetzen der Versorgungsmentalität
durch noch mehr Eigenverantwortung und finanzielle Selbstbeteiligung
beim Ausverkauf sozialer Sicherungssysteme (Riester-Rente, Hartz-Konzept,
Rürup-Kommission), Veruntreuung bereits kassierter Sozialabgaben durch
Umverteilung von unten nach oben, indirekte Beteiligung am US-Staatsterrorismus
(Überflugrechte) und Verteidigung Deutschlands am Hindukusch (Wehrminister
Struck) etwa 95 Prozent der Wahlberechtigten stimmten solchen Ausbeutungsszenarien
rechter Parteien bei der letzten Bundestagswahl bereitwillig zu. Was lehrt
das den verantwortungsvollen Demokraten: Richtig: Mit diesem Volk kann man
noch viel mehr machen.
Folgerichtig
steht seit dem Jahreswechsel nun mal wieder die Verschärfung des Sexualstrafrechts
auf der Tagesordnung von Schwarz-Rot-Grün: Seit sechs Monaten arbeiten
CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam intensiv an der
gesetzgeberischen Kanalisierung der durch sie und ihre angeschlossenen Medienanstalten
zuvor geschürten Kinderschänder-Hysterie. Ein Antrag
und zwei Gesetzesentwürfe, die dem Bundestag vorliegen, zielen auf die
Verschärfung des mit dem irreführenden Titel Straftaten gegen
die sexuelle Selbstbestimmung überschriebenen dreizehnten Abschnitts
des Strafgesetzbuches (StGB).
Ein zweiseitiger Antrag (BT-Drs. 15/31) der Christdemokraten vom 5. November 2002 forderte die Bundesregierung auf, ein Forschungsprojekt für eine länderübergreifende Evaluation sozialtherapeutischer Maßnahmen für Sexualstraftäter im Strafvollzug in Auftrag zu geben. Infolge des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160) ist § 9 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) dahingehend neu gefaßt worden, daß ein Gefangener in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt wird, wenn er nach den §§ 171 bis 180 oder 182 des StGB zu mehr als zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden ist und seine sozialtherapeutische Behandlung angezeigt ist. Obwohl deren Wirksamkeit als erbracht anzusehen sei, fehlten, so meint die Union, grundlegende länderübergreifende Untersuchungen zur Wirksamkeit einzelner Behandlungsmethoden.
Furchtbare
Verbrechen aus jüngster Zeit, die zum Teil von einschlägig vorbestraften
Personen begangen worden sind, haben deutlich gemacht, daß der Schutz
der Allgemeinheit vor schweren Straftaten der Verbesserung bedarf, steht
nicht etwa in einer Strafanzeige gegen Mandatsträger der Regierungsfraktionen,
sondern im Vortext des von CDU/CSU tagesgleich eingebrachten Gesetzesentwurfes
(BT-Drs. 15/29) zum Schutz der Bevölkerung vor Sexualverbrechern und
anderen Ganoven. Das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3344) wird von ihr als unzureichend empfunden,
weil diese bei Erwachsenen, die extrem gefährlich sind, bisher
jedoch erst eine gravierende Straftat begangen haben, und bei
Heranwachsenden ... generell ausgeschlossen ist. Datennetzkontrolle
bei allen Straftaten des sexuellen Mißbrauchs
von Kindern sowie der Herstellung und sogar der Verbreitung von Kinderpornographie
sollen gewährleistet, zu geringe Strafrahmen ausgeweitet
und das Recht zur Entnahme und molekulargenetischen Analyse von Körperzellen
gegen den Willen des Betroffenen zu Zwecken künftiger Strafverfahren
ermöglicht werden. Und wie? Ganz einfach, indem die Sicherungsverwahrung
ohne einen durch das Tatgericht ausgesprochenen Vorbehalt nachträglich
anzuordnen auch bei Heranwachsenden erlaubt würde, sofern
Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt, durch Telekommunikationsüberwachung
und die Erweiterung des Katalogs der Anlaßtaten für eine DNA-Analyse.
Auf 17 Seiten eine prima Steilvorlage für die konservativen Regierungsfraktionen,
die ebenfalls die Lufthoheit über den Stammtischen und in der freien
Presse behalten wollen.
Die
Reform des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches ist mit dem Sechsten Gesetz
zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164, 704) nicht
zum Abschluß gekommen, drohen daher Spezialdemokraten und Bündnisgrüne
in ihrem nicht minder scharfen Gegenentwurf (BT-Drs. 15/350),
obwohl sie darin einräumen, daß mit ihren bisher fabrizierten Verschärfungen
kriminalisierte Handlungen an widerstandsunfähigen Personen
Kindern und Jugendlichen nicht wirksam bekämpft werden. Sie
wollen daher im Prinzip dieselbe Fortentwicklung wie die Union,
haben sie aber nochmals umformuliert, um einige Daumenschrauben ergänzt
und so als etwas Eigenes am 28. Januar 2003 ins Gesetzgebungsverfahren gebracht:
Wenn es nach ihnen geht, sollen neben dem StGB in 14 und der Strafprozeßordnung
(StPO) in drei Punkten auch viele andere Rechtsvorschriften schärfer
gefaßt werden. Unter anderem das DNA-Identitätsfeststellungsgesetz,
um lachen Sie nicht! auch bei aufgefundenen Leichen eine DNA-Analyse
zur Identitätsfeststellung durchführen zu können. Das klingt
heiter und verletzt nicht, doch viele Details haben als längst überwunden
erklärtes Gedankengut in sich.
Dieser
vierundzwanzigseitige (!) Folterkatalog ist Teil des am 29. Januar
2003 vom Bundeskabinett beschlossenen Aktionsplans zum Schutz von Kindern
und Jugendlichen, den Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD)
und Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) in einer gemeinsamen Pressemitteilung
unter ihre Schützlinge gebracht haben: Vor allem der Bereich der
Anbahnung von Kontakten zu Kindern ... soll strafrechtlich wirksamer erfaßt
werden, aber auch der Bereich der Prävention und Intervention
nimmt einen großen Stellenwert ein, womit sich die Normierenden
insbesondere an Kinder, Eltern, Multiplikatoren, die Polizei, die Justiz
und die Tourismusbranche wenden. Wie das in der Praxis aussehen soll,
erklärt im Internet die Justizverwaltung an phantastischen
Beispielen.
Das Highlight rot-grüner Disziplinierungsabsichten ist jedoch die Erweiterung von § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten): Sexuelle Beziehungen im Rahmen von Liebesbeziehungen zwischen älteren und Kindern, etwa einem 13-jährigen Mädchen und einem Jugendlichen, sollen nicht von der Anzeigepflicht erfaßt werden, wohl aber zwischen einer 13-Jährigen und einer Volljährigen. Dazu soll das Denunzieren nicht nur Psychotherapeuten und Erziehern erleichtert werden, wie die Ausnahmeregelung des § 139 StGB (Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten) vorsieht: Die Nachbarin, die glaubhaft erfährt, daß ein Kind in der Nachbarschaft vom Vater regelmäßig sexuell mißbraucht wird, muß etwas unternehmen: Dies kann die Anzeige bei der Polizei oder beim Jugendamt sein, muß es aber nicht. Sie kann ebenso die Mutter des Kindes informieren oder etwa das Kind in kritischen Zeiten, wenn es etwa allein mit dem Täter ist, zu sich einladen usw. Kann sie weiteren Mißbrauch nicht verhindern, kommt es entscheidend darauf an, daß sie sich ernsthaft bemüht, weiteren Mißbrauch zu vermeiden. Wenn nicht, wandert sie womöglich selber in den Knast. Auch Flitzern soll es an den Kragen gehen: Bisher ist eine DNA-Analyse in Fällen exhibitionistischer Handlungen (§ 138 StGB) zum Zwecke künftiger Strafverfahren nicht möglich, da es sich nicht um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt. Nach der vorgesehenen Änderung von § 81g StPO wird das anders sein. Selbst Scherzbolden sollen neue Straftatbestände das Handwerk legen: Der Täter inseriert im Internet und bietet Kinder für sexuellen Mißbrauch an. Unerheblich ist grundsätzlich, ob er das Angebot ernst gemeint hat oder nicht. Erscheint es als eine ernsthafte Anzeige und nicht nur als Witz, hat er sich grundsätzlich strafbar gemacht. (Alle Hervorhebungen: Gigi)
Blockwarte als neues Instrument der Rechtspflege? Für soviel gesundes Volksempfinden gabs Saures aus Fachkreisen: Erreichen wir jetzt ein neues Niveau unsachlicher und unseriöser Sexualstrafpolitik in Deutschland? fragt beispielsweise die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Sexualität und Recht in Hamburg: Regierung und Opposition setzten 15.000 angezeigte Fälle mit konkreten Taten gleich und suggerierten damit eine relativ hohe Fallzahl. Aufschluß über tatsächliche Fälle geben jedoch nicht Zahlen über Anzeigen inklusive Falschverdächtigungen, sondern über konkrete Verurteilungen, die aus den statistischen Erhebungen des Bundeskriminalamtes (BKA) hervorgehen, wonach die Anzahl sexueller Gewaltdelikte stabil bis rückläufig sei und es demnach in Deutschland heute nicht mehr Sexualstraftäter gebe als vor 20 oder 30 Jahren. Die sensationslüsterne Verwertung einzelner Fälle, deren sexueller Hintergrund dem billig und gerecht denkenden Durchschnittsdeutschen schon als extrem erscheine, fördere jedoch eine durch Medien gefühlte Zunahme. Aufgrund falscher Verdächtigung oder haltloser Beschuldigung angezeigte Personen, deren Täterschaft sich oftmals nicht erweisen ließe, würden die rechtsstaatlich verankerte Unschuldsvermutung ausgehebelt und die so Denunzierten zunehmend gesellschaftlich geächtet und existentiell ruiniert.