Maria läßt die Sau raus
Schlimm
ists, wenn man in der Hölle lebt und es gar nicht merkt! Wie gut,
daß es volksaufklärerische Kriminalromane gibt, die einen diesbezüglich
warnen. Welche Gefahren in ihrem Kiez lauern, erfuhr und bestaunte Lizzie
Pricken
Jetzt
weiß ich endlich, wo ich wohne! Von vornherein war zwar klar, es ist
nicht die beste Gegend Berlins, in der ich diese große,
preiswerte Wohnung in einer für mich als Musikerin wichtig
nicht allzu lärmempfindlichen Nachbarschaft anmietete. Doch daß
die hiesigen Fassaden der Häuser einen besonders leprösen
und finsteren Eindruck machen, war mir bisher in Ermangelung
einer Überdosis Weiberschläue entgangen. Von
den Briefkästen war die Farbe abgeblättert, ihre Türen waren
allesamt verbeult und es stank bestialisch nach Katzenpisse. So pittoresk
wie der hier beschriebene kieztypische Hauseingang ist auch das, was sich,
anscheinend üblicherweise, daran anschließt: Der Hof war
ein Müllplatz. Es gab nur eine Funzel über der Tür zum so genannten
Gartenhaus, so daß man nicht erkennen konnte, wie das Zeug aussah, das
überall herumlag. Es waren Matratzen, Müllsäcke, Steppdecken,
eine Kinderwagenleiche, ein paar Altreifen, irgendeine klebrig wirkende helle
Masse und noch anderes Unidentifizierbares.
So klasse beobachten kann das nur eine Fachfrau im Detektieren gefährlicher
Orte. Selbige ist in der von mir begutachteten Story Kriminalkommissarin.
Für deren Kollegen hingegen handelt es sich beim Soldiner Kiez in Berlin-Wedding
einfach um eine Drecksgegend. Begründung: Nur beschissene
Türkenbanden. Doch da wird er von seiner Vorgesetzten belehrt:
Es gibt hier auch wahrscheinlich genauso beschissene
Polen, Russen, Libanesen, Albanier1 und andere. Völlig klar,
daß aus dem elenden Zustand dieses der New Yorker Bronx ähnelndem
Ghettos nichts Gutes erwächst: Hier wurde ein Massenmord vorbereitet,
der im Strafgesetzbuch aber nicht vorkam.
Widerliche
Türkenbrut
Maria
Gronau ist das Pseudonym der Erfinderin der Polizistin Lena Wertebach und,
siehe oben: milieuerfahren. Behauptet jedenfalls Der Spiegel auf
dem Umschlag ihres nunmehr vierten Buches mit dieser Heldin: Tongenau
am Nerv der Zeit auch die sonstigen Beschreibungen von Menschen und
Orten aus dem Mund der lesbischen Kommissarin mit besten Kontakten in
die linke Szene (Spiegel), die sich selbst Bulette nennt
sicherlich eine der zutreffendsten Charakterisierungen im gesamten
Buch, zumindest vom intellektuellen Gehalt aus betrachtet. Einer der Bösewichte
ist zum Beispiel was für eine Gestalt? Eine sonderbare Gestalt:
Elmar, ein Jude aus Baku.
Elmar ist nicht nur ein ominöser Freund des anderen, in diesem Falle
deutschen Verbrechers, sondern hat noch viel schlimmere Motive als Geldgier
und Habsucht: Elmar ist pervers. Ein Knabenschänder. Zuerst
weiß die schlaue Beamtin gar nicht, wo Baku liegt, aber dann fällt
ihr während eines Telefonats mit einem Kollegen aus der aserbaidschanischen
Hauptstadt auf: Die hatten sogar Stil da unten in ihrer Ölpfütze.
Wovon sich so manches Pseudonym hierzulande durchaus eine Scheibe abschneiden
könnte. Als Lena wenig später die Bekanntschaft des Inspektors macht,
entdeckt sie Gemeinsamkeiten, nicht zuletzt in der Beurteilung von, Sie ahnten
es: Homosexuellen. Der Mann war top. Mit ihm würde ich gut auskommen,
denn dem Mann ist es egal, wie Menschen glücklich werden.
Solange sie sich nicht an Kindern vergreifen ... Vorher hat er allerdings
noch gestanden, während seiner Zeit bei der sowjetischen Kriminalmiliz
selbst schwule Männer in den Knast befördert zu haben weil
es ein Strafbestand war.2 Daß derartige Gesetze Menschen durchaus
ins Dilemma stürzen können, ist für das Pseudonym freilich
kein Thema; es hat, wie man halt so wird bei Kontakten in die linke
Szene, ausschließlich das Gute, sprich Recht und Ordnung im Sinn
und stürzt sich somit lieber auf diverse Klischees, angefangen von drogenvertickenden
Ausländerkindern bis hin zum jüdischen Organhändler mit eiskaltem
Blick.
Das Motiv des Pseudonyms, sich auf diesem Niveau zu bewegen, obwohl es doch
(laut Verlag) einst in besetzten Häusern lebte, in der autonomen Szene
aktiv war und sogar Politik- und Kommunikationswissenschaften studierte (den
Namen dieser Uni erfragen Sie bitte beim Verlag damit Sie nicht arglos
in fragwürdige Gesellschaft geraten), wird wohl unaufgeklärt bleiben.
Aber was will man verlangen in einem Land, wo sogar Sozialdemokraten für
links gehalten werden?
Jüdisch-aserbaidschanische
Drogengangster
Vielleicht
ist es ja nur folgerichtig, wenn Lena Wertebach Sätze in den Mund gelegt
bekommt wie: Ich finds bloß bizarr. Ein jüdischer Gauner
beliefert eine muslimische Jugendgang mit Drogen. Wenn das Yassir Arafat wüßte.
Jetzt halten Sie die Bulette für naiv? Doch was an ihrem
Haushalt das links orientiert ausmachen könnte, darauf gibt
ein weiterer Kollege einen sachdienlichen Hinweis. Dort werden nämlich
eher Palitücher statt Davidsterne getragen. Es muß
sich um den typischen linken Humor handeln, wenn Lena über
einen Tatort sinniert: Gott, vielleicht lieben jüdisch-aserbaidschanische
Drogengangster die deutsche Eiche. Darüber können Sie nicht
lachen? Überprüfen Sie mal ihre politische Einstellung!
Doch die arme Lena hats auch nicht leicht. Schließlich lebt sie
mit einer Frau zusammen, bei der sie froh sein kann, wenn sie
wenigstens ab und zu in ihrer, also Lenas Wohnung aufkreuzt. Da sie jedoch
selbst selten dort weilt das ist modernes linkes Zusammenleben ,
beschäftigt sich ihre Geliebte vor Langeweile brav mit dem, was man von
einer Polizistinnengattin erwartet: kocht, umsorgt, tröstet und arbeitet
notfalls auch mal mit. Freilich umsonst, das tun Ehefrauen gern. Da die toughe
Lena Weibchen an sich nicht mag, kriegen sie (außer dem eigenen) ansonsten
ihr Fett weg. Entweder treten sie als dumme Blondinen oder lügende Muttis
in Erscheinung. Wunderts jemanden? Wo diese Sorte Frauen nicht zuletzt
für das Elend dieses Landes verantwortlich ist? Wir hier in Deutschland
leben unser normales alltägliches Leben, da will man in der Fremde doch
mal die Sau rauslassen, gesteht ein gebeutelter Ehemann, und obwohl
nicht mehr der Jüngste, hat er noch einen großen Traum: Er will
nach Lateinamerika. Zu diesen leidenschaftlichen Menschen. Sprich,
Frauen. Weils hier keine mehr gibt! Die Kommissarin verrät ihm
nicht, daß es viel billiger geht. Man kann schließlich auch um
die Ecke, gleich neben seiner kleinen Kneipe, kräftig die Sau rauslassen.
Im Puff warten leidenschaftliche Fremdarbeiterinnen. Oder als
Angestellter bei der Polizei, wenn beispielsweise Besuch aus Amerika oder,
sagen wir mal, Baku kommt (in welcher Ölpfütze das immer liegen
mag). Zur allgemeinen Erheiterung fließt auf knapp 300 Seiten Alkohol
in Strömen und ruiniert die Staatsdienerin Lena nebenbei mit 40 Zigaretten
täglich ihre kostbare Gesundheit.
Deformations
professionelles
Auf ebenso
herzhafte Art, wie sie Wodka als Schmiermittel für Stimme und Geist
bezeichnet, da ja im Betäubungsmittelgesetz von Sprit nichts drin
steht, lüftet sie Geheimnisse über andere Exzesse auf Polizeistationen.
Da werden Verdächtige beim Verhör geschlagen oder bekommen auch
mal ein paar Drogen mehr zugesteckt. Selbst an der hierzulande noch geduldeten
Sozialarbeit läßt sie kein gutes Haar, denn jeder Jungkriminelle
weiß: Eine günstige Sozialprognose kaufen Sie bei einem Sozialarbeiter,
der bei einem Projekt arbeitet, das auf der Abschußliste steht. Eine
ABM am Abgrund. Die lieben alle gestörten Jugendlichen, weil sie durch
sie ihre Miete zahlen. Und sie leben von der Hoffnung. Mehr haben sie nicht
zu bieten. Die Sozialtante hat dann auch erwartungsgemäß
einen dicken Hintern, der in einem zerknitterten Rock steckt. Gut, daß
sie zu Schweigen gebracht wird, bevor sie eine Lanze für Toleranz
und Multikulti brechen kann. Lena Wertebach hat die Welt glasklar analysiert.
Deshalb fragt sie auch, ob der Umstand, daß Homosexualität zu Sowjetzeiten
strafbar war, mit dem Islam zu tun hatte. Der Kollege aus Baku verneint. Wäre
auch zu schön gewesen.
Ich
war deutsch, und ich war eine Frau.
Dafür
haben herumlungernde Jugendliche (Sie wissen schon: potentielle
Schläger) in meinem Kiez sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun und sind
deshalb eines der größten Feindbilder des Pseudonyms, das wohlweislich
mit Frau und Kind in einem Dorf in Brandenburg lebt. Logisch, daß national
befreite Zonen auf dem Lande was Heimeliges haben: Eine Frau kann sich
in Berlin nicht alleine auf die Straße wagen! Schon gar nicht, wenn
sie bei der Parkplatzsuche zweimal an der halbwüchsigen Drogengang vorbei
muß. Da wird einfach zugeschlagen, zumal, wenn sie aussieht wie ein
Spitzel. Natürlich nicht von dem netten Alibitürken
und Restaurantbesitzer, dem es folgerichtig gestattet wird, der deutschen
Polis den Kaffee zu servieren. Sehen Sie, und damit ist auch Ihr
linkes Weltbild wieder in Ordnung.
Maria Gronau: Weiberschläue. Militzke Verlag, Leipzig 2003, 288 Seiten, 7,90 Euro