Zehn Tage
vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am 22. Mai fand im SPD-geführten
Innenminsterium die Konferenz Vielfalt ist ein Weg! statt. Es
sollte um Diversity und Antidiskriminierung in Verbänden, öffentlicher
Verwaltung und Unternehmen gehen. Zur Überwindung von Diskriminierung
wird eine Kultur der Vielfalt als förderlich betrachtet und
in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen erprobt. Vor allem Unternehmen
setzen Diversity-Management als zielgerichtete Strategie zur Förderung
von Vielfalt ein, lockten die Veranstalter eines Vereins namens zoom
Gesellschaft für prospektive Entwicklungen e.V. diverse
Antidiskriminierungs- und Migrationsprojekte nach Düsseldorf und fragten:
In welchem Verhältnis steht der Ansatz der zielgruppenübergreifenden
Antidiskriminierung zu Diversity-Ansätzen?
In der
diplomatischen Sprache der Politik dienen solche selbstverständlich
rein zufällig kurz vor dem Ende einer Legislaturperiode von vermeintlich
unabhängiger Seite anberaumten Tagungen dazu, die
anwesenden Multiplikatoren diskret an unschöne Folgen eines möglichen
Regierungswechsels hinsichtlich der weiteren Landesfinanzierung der geladenen
Projekte zu erinnern. Als lesbisch-schwule Szenevereine nicht entgehen lassen
wollten sich das Spektakel die Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW,
die AIDS-Hilfen Düsseldorf sowie Duisburg/Kreis Wesel, die Rosa
Strippe aus Bochum und die Schwule Initiative Siegen (SIS),
die Gruppe Lila Lesben aus Moers, die HomopolizistInnen vom NRW-Velspol
und das lesbische Anti-Gewalt-Netzwerk Broken Rainbow aus dem
hessischen Frankfurt am Main. Aus Köln war mit etwas Infomaterial lediglich
Michael Stubers drollige Homo-Wirtschaftsberatungsagentur Ungleich besser
angereist, die vormals unter dem sprechenden namen vormals Mist
Consulting operierte (vgl. Schwerpunkt zum Gay Marketing in Gigi
Nr. 26). Ingsgesamt fanden sich unter den mehr als hundert Gästen
zahlreiche Firmen und Vereine, angefangen von Global Playern wie Bertelsmann
über lokale Migrantengruppierungen wie der Landsmannschaft der
Deutschen aus Rußland e.V., dazu etliche zum ungeliebten
Außentermin verdonnerte Beamte aus Stadtverwaltungen zwischen Werdohl
und Wülfrath. Entsprechend schwankte das Programm zwischen provinzieller
Exotik und weltläufiger Belanglosigkeit.
Als Referentin
zum Thema Vielfalt fördern in der Verwaltung hatte die Konferenzregie
wohl mangels heimischer Ressourcen eine schwedische Dame von
der Stadtverwaltung aus Uppsala eingeflogen, die rasch ein paar Folien mit
kommunalen Absichtserklärungen auf den Projektor warf und sodann feststellte,
in dem nördlich von Stockholm gelegenen Städtchen sei man in Sachen
Antidiskriminierung und Chancengleichheit doch schon ordentlich weit gekommen.
Genaueres wußte die Verhaltensforscherin auf Nachfragen allerdings nicht
anzugeben. Zuvor hatte Peter Döge vom Berliner Institut für
anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung seinem Referat
Von der Antidiskriminierungsarbeit zur produktiven Gestaltung von Vielfalt
den Charme eines betrieblichen Motivationstrainings verliehen. Merke: Diversity
macht sich unglaubwürdig, wenn das Management auf Firmenfesten trotzdem
wie gehabt über Ausländer herzieht. Eher zwiespältig auch Claudia
Maysun-Jabbours Erläuterungen zur zielgruppenorientierten Antidiskriminierung
beim Siegener Netzwerk zur horizontalen Andiskriminierungsarbeit.
Der etwas farblose Vortrag ließ mitunter die Befürchtung aufkommen,
daß zeitlich befristete und überdies schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse
SozialarbeiterInnen unter Umständen dazu verleiten könnten, immer
neue und komplexere Diskriminierungsformen zu orten, gegen die es dann weitere
Projekte zu installieren gilt, für deren Betrieb wiederum sie die unentbehrlichen
Fachleute sind. Auf die naheliegende Frage, ob bei den von Benachteiligung
Betroffenen nicht unbeabsichtigterweise auch anti-emanzipatorische Prozesse
gefördert werden, wenn individuelle Diskriminierungserfahrungen flächendeckend
in die vorgebliche Zuständigkeit von solchen Antidiskriminierungsprojekten
abgegeben werden (sollen), kam während der Tagung allerdings niemand.
Lufthansa,
Ford & Deutsche Bank: Es gibt kein Recht auf Diversity
Wirklich spannend wurde es erst zum Schluß, als die Hamburger Ethnologin Kerstin Römhildt als letzte Referntin die Ergebnisse ihrer Studie zu Vielfalt in Unternehmen vorstellte. Römhildt, deren von der Bundesregierung aus EU-Mitteln finanzierte Stelle als Leiterin des Xenos-Migrantionsprojektes diversity hamburg bedauerlicherweise zum Jahresende ausläuft, untersuchte beispielhaft Diversity-Konzepte bei den Unternehmen Lufthansa, Ford, Deutscher Bank und ein positives und wirklich überzeugendes Beispiel war für die Untersuchung wohl psychologisch unentbehrlich beim Westdeutschen Rundfunk in Köln. Obwohl Römhildt ihre Informationen ausschließlich von den Management- und Diversityberatern der jeweiligen Unternehmen sowie aus firmeneigenen Selbstdarstellungen bezog, fiel das Ergebnis in den ersten drei Fällen recht nüchtern aus: Ein Recht auf Diversity gibt es nicht. Schlimmer noch: Unternehmen, vor allem wenn sie global agieren, suchen sich ihre Diversity-Themen durchweg nach Image-Gesichtspunkten aus. Firmenintern sollen, so Römhildt, betriebliche Diversity-Konzepte die Mitarbeitermotivation steigern, extern böte die Propagierung von Unternehmensvielfalt auf weltweiten Absatzmärkten einen enormen PR-Gewinn, der sich nicht zuletzt als Kaufanreiz bei potentiellen Kunden realisiere. Römhildt betonte, es sei ein Irrtum anzunehmen, Unternehmen führten Diversity allein aus sozialen Gesichtspunkten ein: Man sollte nicht leugnen, daß es in erster Linie um Gewinnsteigerung geht.
Diversity,
Image & Telekom: Profit ist nicht unanständig
In der
sich an Römhildts Vortrag anschließenden unvermeidlichen Eperten-Diskussion
mochte Doritha Arens-Bläser vom Fachbereich Chancengleichheit und Diversity
bei der Deutschen Telekom diesen Umstand auch gar nicht abstreiten: Selbstverständlich
gehe es um die Steigerung des Unternehmensprofits, und das ist auch
nichts Unanständiges.
Immerhin
hatte Kerstin Römhildt den tatsächlichen Stellenwert betrieblicher
Diversity-Politik vor abschließenden Plauderrunde mit ein paar nüchternen
Fakten nachhaltig zurechtgerückt: So überwachen bei in der Lufthansa-Zentrale
ganze sieben Mitarbeiter die Diversity-Politik des Unternehmens weltweit!
Bei Ford in Köln seien in Sachen Vielfalt zwei Personen beratend
und intervenierend tätig. Die beiden Unternehmen, wie auch die
Deutsche Bank, verfügten allerdings nicht einmal über entsprechende
Betriebsvereinbarungen: Diversity werde durchweg auf der Ebene unverbindlicher
Selbstverpflichtungen zu Fairness und partnerschaftlichem
Verhalten am Arbeitsplatz abgehandelt. Daß Diversity noch keinen
einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz für Behinderte geschaffen und
Diversity vor dem Hintergrund einer Ausdünnung des Arbeitsmarktes
wohl kaum Jobs für ältere Arbeitnehmer herbeizaubere, ergänzten
skeptische Teilnehmer aus dem Pubikum. Wirklich euphorisch zeigte sich nur
Thomas Wengemeyer von der Homogruppe Ford Globe: Was da
bei Ford in den letzten Jahren abgegangen ist, hat mich überrascht. Das
Leben ist lockerer geworden.
Spätestens hier fiel auf, daß (staatliche) Antidiskriminierungspolitik und (betriebliche) Diversity-Maßnahmen doch eigentlich recht wenig miteinander zu tun haben. Während Unternehmen wie die Telekom ihre zwanglose Imagepflege inzwischen mit marketingtypischen Euphemismen wie Work-Life-Balance und Business Excellence umkränzen oder, wie Ford, mit dem Begriff Ethno-Marketing tarnen, was im Kapitalismus genauso gut Sklavenmarkt geheißen werden könnte, machte das ehrenamtlich erarbeitete und von Ruth Forster vorgestellte Antidiskrimierungskonzept der SPD-nahen Arbeiterwohlfahrt deutlich, vor welche überraschenden Probleme sich selbst eine offensive und ehrliche Antidiskriminierungspolitik am Arbeitsplatz gestellt sieht: Zu Beginn der Umsetzung (Stand 30.09.2002) arbeiteten in der Bundesgeschäftsstelle 133 Menschen, davon 90 Fauen und 43 Männer. In Führungspositionen befanden sich 14 Personen, davon drei Frauen. Fünf Personen leben mit einer Behinderung im Sinne des Schwerbehindertengesetzes beziehungsweise haben dies angegeben. Religiöse Zugehörigkeit läßt sich lediglich beschränkt auf die steuerpflichtige Zugehörigkeit zu einer der beiden großen christlichen Religionen beschreiben, wobei 27 evangelisch und 43 katholisch sind. Alle anderen haben keinen Kirchensteuerabzug, wodurch sich anhand der vorliegenden Daten eine eventuelle Religionszugehörigkeit nicht nachvollziehen läßt ... Der Migrationshintergrund ist datenmäßig nicht erfaßt. Zur sexuellen Identität der Beschäftigten kann ebenfalls keine Aussage getroffen werden. Wollte man diesbezügliche Antidiskrimimierungserfolge konkret nachweisen, müßte ein Betrieb nämlich all diese Persönlichkeitsmerkmale vorher in den Personalakten erfassen.